Trotz vermeintlicher Routine im Alltag eines Anwalts gilt immer: Es gibt Fälle, die entwickeln eine größere Dynamik als andere. Und in diesen empfiehlt es sich, sehr achtsam zu agieren. Ganz unerheblich, ob die Krise den Anwalt und seine Kanzlei betrifft oder seinen Mandanten. (Lesen Sie auch unseren Beitrag „Was tun in einer Krise?“).

Die allererste Herausforderung ist zunächst, eine Krise als solche zu erkennen. Fast immer gibt es bereits vor Ausbruch der Krise diverse Anzeichen, die erkannt werden können. Wenn dies nicht gelingt, ist es oft der falschen Perspektive geschuldet. Analysieren Sie eine Krisensituation daher immer aus dem Blickwinkel der Betroffenen und der Öffentlichkeit. Das heißt, nicht die unternehmens- oder kanzleiinterne Bewertung ist der Maßstab, sondern vor allem die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Holen Sie sich hierzu gegebenenfalls externe Hilfe, denn nicht immer gelingt einem die richtige Einschätzung selbst.

Manche Kriterien können Ihnen darüber hinaus helfen, eine Krise als solche zu identifizieren. Dazu gehören zum einen das Ausmaß des Schadens. Wie hoch ist der wirtschaftliche Schaden? Sind Menschen betroffen? Beschädigt das Ereignis das Vertrauen zum Unternehmen / zur Kanzlei und seine Glaubwürdigkeit (etwa im Falle einer selbstverschuldeten Krise – zum Beispiel mangelhafte Firewall – im Gegensatz zu höherer Gewalt – Naturkatastrophe). Zum anderen gehört dazu die öffentliche Sichtbarkeit: Wirkt das Ereignis nach außen? Betrifft das Ereignis viele Menschen und / oder hat es einen Nachrichtenwert für die Medien? Hat das Ereignis außerdem einen Lawineneffekt, entwickelt es sich dynamisch?

Lieber schweigen oder lieber reden?

Immer wieder hören wir in der Beratung: Ist es nicht besser, in Krisensituationen zu schweigen? Sollten wir nicht besser keinen Kommentar abgeben und abwarten, bis sich der Sturm gelegt hat? Ganz klar: Nein. Sollten Sie nicht. In der Krise ist die Aussage „kein Kommentar“ keine Option. Begangene Fehler verzeiht die Öffentlichkeit in der Regel nur, wenn sie aktiv eingestanden werden. Salamitaktik hingegen ist keine gute Idee: Wenn Fehler erst dann und auch nur scheibchenweise eingestanden werden, wenn sie bereits recherchiert und bekannt sind, verzeiht das keiner mehr.

Handeln Sie also im Krisenfall zügig, aber nicht voreilig. Machen Sie eine kurze Analyse der aktuellen Situation. Beziehen Sie die Medienlage ein, beobachten Sie unbedingt und vor allen anderen die sozialen Medien. Journalisten informieren sich beinah ausnahmslos über Twitter. Hier gibt es immer und sofort verfügbare Informationen der verschiedenen Beteiligten.

Bestimmen Sie jemanden, der kommuniziert und halten Sie sich an die One Voice Policy: Nur einer spricht, die anderen schweigen. Ob dies extern geschieht oder durch einen eigenen Pressesprecher oder den Geschäftsführer, ist dafür unerheblich.

Nicht (nur) die Krise ist das Problem, sondern vor allem der Umgang mit ihr

Gerade die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht mag Anwälte davon abhalten, offen und fehlerbewusst zu kommunizieren. Presseanfragen empfinden einige als störend und werfen Journalisten Skandalisierung und Interesse an Negativ-Berichterstattung vor. Stimmt natürlich auch manchmal, investigativer Journalismus kann zum Problem werden. Der Konkurrenzdruck zwischen den Medien ist heutzutage hoch, und die Jagd nach einer Story kann unbarmherzige Auswirkungen haben. Führende Medienhäuser haben in den vergangenen Jahren Investigationsressorts eingerichtet, die teils im Verbund, teils alleine, recherchieren. SPIEGEL, STERN, WELT, HANDELSBLATT haben Teams gegründet, die sich zum Beispiel „Investigative Recherche“ nennen. Auch der Norddeutsche Rundfunk hat ein eigenes „Ressort Investigation“, das sich wiederum zum Zwecke der internationalen und weitreichenden Recherche zu einer Kooperation mit WDR und Süddeutscher Zeitung zusammenschließt. Aufgabe dieser Kooperation ist es unter anderem, tatsächliche oder vermeintliche Skandale aufzudecken. Das ist durchaus im Interesse der Demokratie: Ohne einen unabhängigen und kritischen Journalismus käme vieles nicht an die Öffentlichkeit, das genau dort hingehört, damit Missstände beendet werden.

Problematisch ist der investigative Journalismus allerdings dann, wenn er vor allem einer medialen Inszenierung und der eigenen Profilierung dient. Dann stehen vermeintliche Skandale im Vordergrund und nicht die Aufklärung des Geschehens. Schlimm für manch Betroffenen: Ein in vielen Jahren aufgebauter guter Ruf ist oftmals binnen Minuten zerstört. Und leider gilt fast immer auch nach Beweis der Unschuld: Semper aliquid haeret – irgendwas bleibt immer hängen.

Strategien zum Umgang mit kritischen Presseanfragen

Unerfahrenheit im Umgang mit Presseanfragen investigativer Art kann viel Schaden anrichten. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben einer Presseabteilung, bei Presseanfragen herauszufinden, welche Motivation den Journalisten bewegt. In Unternehmen ist eine Presseabteilung sicherlich eher vorhanden als in einer Kanzlei. Wichtig ist jedoch, dass auch Anwälte Verständnis für die Arbeit von Journalisten haben und sich einige grundlegende Kenntnisse aneignen. Unglücklich ist es, wenn Kanzleien den Eindruck erwecken, sich kritischen Fragen der Medienvertreter verweigern zu wollen. Auf Presseanfragen reagieren sie dann nicht. Sie beantworten keine Erinnerungsmails. Und sie entziehen sich telefonischer Nachfragen. Dieses Verhalten vermittelt den betroffenen Journalisten den Eindruck geringer Wertschätzung ihrer Person, besonders aber auch ihrer Arbeit.

Oft bestehen erste Reaktionen der Kanzleien aus dem Satz: „Aufgrund unseres Mandatsverhältnisses äußern wir uns nicht zu den Vorgängen.“ Oder, auch gängig: „Zu laufenden Ermittlungsverfahren können wir keine Auskunft erteilen.“ Das mag oft richtig sein. Doch manchmal wird diese Art der Antwort ohne längere Prüfung und der Einfachheit halber verwendet, ohne dass die Anwälte tatsächlich inhaltlich geprüft haben, ob zu der Presseanfrage konkrete Antworten vielleicht doch möglich oder sogar sinnvoll sind.

Und übrigens: Sollte eine direkte Antwort nicht möglich sein, haben Sie immer noch die Möglichkeit, mit dem Journalisten ein vertrauliches Hintergrundgespräch zu vereinbaren. Aus diesem darf er dann nicht zitieren, bestenfalls haben Sie aber Ihren Standpunkt klarmachen können und sein Verständnis für Ihre Sichtweise erreicht. Voraussetzung dafür ist aber ein bestehendes Vertrauensverhältnis zum Journalisten. Hier kann externe Beratung hilfreich sein.

Nun hat nicht jede Journalistenanfrage einen investigativen Hintergrund. Reagieren Sie aber auch bei kritischen Anfragen von Anfang an besonnen. Im Eifer des Gefechts ist das natürlich nicht leicht. Gerade die oben zitierten Rechercheteams schicken oft Fragenkataloge mit mehr als 20 Fragen, die innerhalb der nächsten Stunden beantwortet werden mögen. Meist ist die Geschichte an der Stelle schon gut recherchiert. Wer auf diese Fragenkataloge hektisch und ängstlich reagiert, hat verloren. Wählen Sie einen anderen Weg. Antworten Sie, aber nicht auf jede Frage. Bleiben Sie möglichst im gesetzten Zeitraum.

Räumen Sie Fehler ein, die Ihnen bereits bekannt sind. Machen Sie klar, dass Sie an der Aufklärung arbeiten. Handeln Sie immer nach dem Dreiklang aus Empathie, Souveränität und Sich-Kümmern.

Zeigen Sie Empathie, strahlen Sie Souveränität aus, lassen Sie die Öffentlichkeit wissen, dass Sie das Problem erkannt haben und dass Sie sich kümmern werden. Springen Sie nicht über jedes Stöckchen, das man Ihnen hinhält. Beweisen Sie Souveränität mit einer ruhigen und möglichst gelassenen Reaktion, die Empathie erkennen lässt.

Leichter gesagt als getan – aber ganz am Anfang entscheidet es sich, ob Sie eine Skandalisierung verhindern können oder nicht. Zu einem großen Teil haben Sie das selbst in der Hand.

Anmerkung: Teile dieses Blogbeitrags sind als Artikel erschienen im Berliner Anwaltsblatt 10/2020.